Die Schwellensäge

Die Schwellensäge……

 . . . oder: Niemand weiß, zu was sie noch fähig sind……………

Es war im Jahre 2002, als eine Gruppe der Traktorfreunde Kannenbäckerland ein Treffen im Westerwald besuchte.

Dort wurde, außer einer Schmiedevorführung, auch eine alte, sog. „Schwellensäge“ in Aktion gezeigt, angetrieben von einem LANZ-Bulldog über Riemenscheibe und Flachriemen. Neben Auspuffqualm, Sägemehl und Lärm fielen, quasi als „Nebenprodukt“, auch Balken und Bretter an. Man sah sich die Sache an, gab einige mehr oder minder fachliche Kommentare ab und schlenderte weiter über den Platz. Zwei unserer Mitglieder (Hugo und Klaus) schienen jedoch fasziniert und waren weder durch Einladung zu einem kostenfreien HA-BU-FLA-BI noch den Hinweis auf eine leckere Bratwurst am Stand nebenan von der Säge wegzubekommen. In den Betriebspausen schnüffelten Beide, natürlich ganz unauffällig, um die Säge herum und tauschten leise Bemerkungen aus. Vorrübergehende Vereinsmitglieder hörten Worte wie „… fuffzischer Wäll…“ oder „hunnerder U-Schinne,un die minanner verschwähße…“

Im weiteren Verlauf dieses Nachmittages waren die Beiden kaum noch ansprechbar, saßen oder standen mit geheimnisvollen Minen beieinander und steckten die Köpfe zusammen. Klaus krickelte zuweilen etwas auf einen halbdurchnäßten Bierdeckel, und Hugo schien im Geiste irgendwelche Maße festzulegen und deutete mit Daumen und Zeigefinger öfter seltsame geometrische Formen an.

Der Leser ahnt schon, dass kam, was kommen musste: Kurz nach dem Besuch dieses Treffens erfolgten still und heimlich Materialbestellungen, Bauzeichnungen und Konstruktionsbesprechungen (wobei die Bauzeichnungen mehr oder minder grob ausfielen!). Da das Ganze auch recht authentisch ablaufen und werden sollte, verlegte man die Produktionsstätte in den Hinterhof von Klaus, dessen malerische Ausgestaltung das Flair einer Dorfschmiede in Hinter-Kasachstan bot. Dort wurden nun, sehr zur Freude der Nachbarn, mit Winkelschleifer, Bohrmaschine und Schweißgerät geheimnisvolle, zum Teil bizarre Metallteile bearbeitet und miteinander verschweißt, Wellen montiert, Achsen verschraubt, und, und, und…

Das Geschehen lief weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab, auch die Mitglieder des Trecker- Clubs hatten keine Ahnung davon, welche große, technische Idee in Hinter-Kasachstan…..ähhh…..Höhr-Grenzhausen Gestalt annahm. Jedoch, auch Geheimnisträger sind nur Menschen, und so sickerte doch etwas von dem Bau durch und erreichte über dunkle Kanäle auch einige Traktorfreunde.

Daraufhin wurde Heinz mit den Worten: „ guggemol, batt die do träiwe“ beauftragt, Fakten zu liefern. Also erschien er eines Samstages „ganz zufällig“ am Ort des Geschehens. Da sein Sohn Marc die Säge mit seinem 20er Glühkopfbulldog später einmal antreiben sollte, wurde Heinz kurzerhand in das Projekt integriert und auch direkt zu Hilfsleistungen verpflichtet : „Häi bohre mer zwiehn zwanzijer Löcher ffö die Bolze, un dann kannste schon die Querträijer aafschnäire…“

Es wurde ziemlich spät an diesem Samstag, und nach einigen…Hm…Überzeugungsflaschen…ääh…ich meine: -Erklärungen verschrieb sich Heinz voll und ganz dem Projekt.

Hugo besorgte unterdessen von einem befreundeten Sägewerksbetreiber zwei der benötigten Sägeblätter mit 800 mm Durchmesser, die irgendwo in dunklen Schuppen der Auferstehung harrten, und in ebenso hellen Bauwerken fanden sich auch zwei entsprechende Flachriemen, die mit den zugehörigen Krallen zu einem Stück verbunden wurden. Das nächste, größere Problem war eine im Durchmesser passende Flachriemenscheibe. Ein Neukauf schied mangels genügend vorhandener Euronen aus (Zitat: „Hunnerdsichzisch Euro—dat is en Fräschhaid !“), und so wurde eine ebenso geniale wie einfache Idee von Klaus umgesetzt : „ Ich bauen zwiehn Flansche, dau schnäids e paar Leimholzpladde zereecht, die pagge mer derzwischer und brängen se mit der Modoorsee in Form !“ Gesagt-getan, und so entstand ein genügend großes und auch festes Flachriemenrad, das auf die Sägewelle aufgezogen wurde und vermittels eines Bandschleifers und unter ständigem Drehen seine letzte Form erhielt.

Die eigentliche, große Herausforderung bei dem Projekt war, alles so zu konstruieren,daß man es platzsparend zusammenklappen und verstauen konnte, die Säge an einen Traktor anhängen und im öffentlichen Straßenverkehr fahren könne. Dies‘ gelang recht gut, und so stand eines schönen Samstagmorgens ein, unter strenger Geheimhaltung stattfindender,  Probelauf auf dem Programm.

Marc erschien mit seinem Großvater in Begleitung des 20er Glühkopfbulldogs—–oder umgekehrt—-und nachdem alles in Position und ausgerichtet war, hieß es: Riemen auf die Orgel, und los geht’s! Gashebel bis zum Anschlag, der Flachriemen entledigte sich zusehends des Staubes der Jahrzehnte, das Sägeblatt sang in höchsten Tönen das Lied vom unzerstörbaren Tiegelgußstahl, und der Fichtenstamm auf dem Rollschlitten verwandelte sich innerhalb kürzester Zeit in Bretter und Sägespäne…..

„Mööönch,dat fungzioniert!!!“ Mittlerweile hatte sich, wie auf ein geheimes Zeichen hin, fast der halbe Club am Ort des Geschehens versammelt und spendete Beifall. (Eine Anekdote am Rande : Marc’s Großvater sah sich die Sache einige Zeit an, dann drehte er sich zu Heinz um und sagte : „ Ich han genooch gesehn, mir fahren innsen die Fichtener fälle, dat gifft die Breerern ffö dä Anhänger…“)

Nach diesem erfolgreichen Probesägen stand, neben einigen kleinen Verbesserungen, ein farblich passender Schutzanstrich auf dem Programm. Man entschied sich für ein kräftiges „Signalrot“, da es erstens eine gewisse Warnwirkung habe und zweitens als Sonderangebot in der „Quengelmeile“ (also kurz vor der Kasse) eines Baumarktes preisgünstig zu erwerben war.

So erfolgreich die Sache bis jetzt auch lief, es stand immer noch die erste öffentliche Präsentation bevor! Die fand dann am 15. und 16. Juni 2002 auf dem „5. Oldtimertraktoren-Treffen“ der Traktorfreunde Kannenbäckerland an der sog. „Kunowstraße“ zwischen Höhr-Grenzhausen und Grenzau statt.

Marc hatte den doch etwas überforderten 20er gegen seinen australischen KL-Bulldog ausgetauscht, und mit dessen 45 PS und der Schwungradmasse von ca. 80 Kg wurde an beiden Tagen so mancher Fichtenstamm in Balken und Bretter zerlegt. Das Publikum war sichtlich beeindruckt und sparte nicht mit Anerkennung, Applaus und konstruktiver Kritik…

So gab es ältere Besucher, die das Geschäft der „Schwellensägerei“ selbst einmal betrieben hatten und wertvolle Tipps gaben, aber es gab auch jene, die zuvor den Bierpilz belagerten und nun ihren Enkeln erklärten, dass „…dat genau die Säg‘ is‘, mit dää ich am Westwall die Bohle ffö die Bunker geschnidde han….die han die nur annersch angestrische…“ Na ja, wer’s glaubt…

Mittlerweile sind einige Jahre vergangen, und wir hatten die Schwellensäge bei vielen Treffen und Veranstaltungen dabei. Festzustellen war: Je jünger die Zuschauer und Besucher waren, desto größer war ihr Interesse an der Säge und ihrer Vorführung—–viele kannten so etwas gar nicht, und die „Alten“, die dabei zuschauten, grinsten wissend oder hatten hilfreiche Tricks auf Lager…             Auch wurden im Laufe der Zeit einige…Hm…Verbesserungen und Änderungen an der Säge vorgenommen, wie zu Beispiel die Möglichkeit zum alternativen Antrieb über Zapfwelle, oder der über Seilzug funktionierende Vorschub des Holzstammes, aber, ich glaube, die Schilderung dieser Umbauten und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Vorkommnisse rechtfertigen schon wieder eine neue Geschichte.                  

 

                                                 H.B & K.D.B