Der Lanz Alldog

Der LANZ-Alldog

( Die wahre Geschichte einer Odyssee )

Die folgende Story hat sich tatsächlich so zugetragen. Lediglich Orts-, Personen- und Firmennamen sowie Amtsstandorte und Zuständigkeitsbereiche wurden verschwiegen bzw. abgeändert und dienen nur dem allgemeinen Verständniss .

Eines schönen Tages besuchte mich mein guter Freund und Vereinsvorsitzende E. und berichtete von einem LANZ-Alldog in mäßigem Zustand, der wohl für wenige Euronen zu haben sei. Eigentlich seien es deren zwei, wovon der Zweite durch Nichtvorhandensein von ca. 85 Prozent seiner Bestandteile glänzen sollte. Er habe diese während einer Geschäftsreise auf einem Bauernhof entdeckt. Ich hatte nicht wirklich gesteigertes Interesse am Erwerb solcher „Baustellen“, zumal ich zu dieser Zeit mit anderen Projekten beschäftigt war. Ich ließ mich jedoch überreden, selbige kostbaren Fundstücke mit ihm zusammen zu bergen und seiner heimischen Edelschmiede zuzuführen…. Mit dem obligaten LKW mit Anhänger auf dem besagten „Bauernhof“ angekommen, kamen mir ernsthafte Selbstzweifel bezüglich meiner Wahrnehmungsfähigkeiten : Zwischen leise vor sich hin stinkenden Großballen, fauligen Rübenresten, zerfetzten Plastikplanen und der „Goldgrube des Landwirts“ , also einem riesigen Haufen Mist, gingen zwei….…hm, „Gerätschaften“ langsam in den chemischen Zustand von Eisen-Oxyd über. Meine Hand zuckte unwillkürlich zum Schalthebel, um sofort den Rückwärtsgang einzulegen, und irgendwie muß mir die Kinnlade herab gefallen sein. Das jedoch deutete mein Freund als Ausdruck des freudigen Erstaunens und eilte auf den herbei schlurfenden Landwirt zu. Dessen wie eine mittelalterliche Lanze in der Rechten gehaltene, dreizinkige Mistgabel versuchte ich zu ignorieren und stieg ebenfalls aus. Als Erstes fielen mir die verschiedenfarbigen Gummistiefel des Herrn auf, die sich auf den zweiten Blick als zwei „Linke“ entpuppten. Außerdem entströmte seiner Person ein Duftgemisch von Salmiakgeist und „Net- gewäscht Nr.5“, so daß ich einen respektvollen Abstand einhielt. Anders mein Freund E. : Alle möglichen Keime und Viren cool ignorierend, bot er ihm die Hand mit einem freundlichen „Hallo, wie geht’s ? Wir hatten ja telefoniert !“. Die Grunzgeräusche seines Gegenüber deutete ich als positiven Willkommensgruß und tatsächlich senkte jener seine Lanze…..äh, Verzeihung, seine Mistgabel, so daß auch ich ihm einen „schönen guten Abend“ mich getraute, zu wünschen. „Hähhhhh—-wat !?“. Nun ja, möglicherweise hatte ich mich nicht deutlich ausgedrückt, versuchte ein einlenkendes Lächeln und begann, die Auffahrrampen abzuladen in der Hoffnung, daß die nun anstehenden Verkaufsverhandlungen zu einem positiven Ende kämen. Tatsächlich muß es meinem Freund E. gelungen sein, den „ Herrn Landwirt“ davon zu überzeugen, sich von den „wertvollen“ Rostgebilden gegen eine geringe Gebühr zu trennen. Jedenfalls rückte der etwas später mit einem frontladerbewehrten Schlepper an , hob die beiden Fragmente aus der chemisch aggressiven Flüssigkeit und verlud sie mehr oder weniger verkehrskonform auf Anhänger und LKW. Die Auffahrrampen konnte ich somit ungenutzt wieder verladen….das mit dem Frontlader hätte der Herr ja auch….na ja,lassen wir das. Nach einem freundlichen Winken meiner-, und einem Abschiedsgrunzen seinerseits verließen wir die Stätte „biologischer Zustände“. Ich dankte im Stillen allen Göttern, Kalifen und Propheten für die einbrechende Dunkelheit, so daß eine Ladungssicherung entfallen konnte und wir im Schutze der Nacht die „Gerätschaften“ vor E.’s Schrauberparadies abladen durften. Die folgenden Tage und Wochen mit den entsprechenden Kommentaren von Ehefrau und Nachbarn übergehe ich, da sie für den weiteren Verlauf der Geschichte nicht relevant sind. Es kam, wie es eigentlich kommen mußte : E. hatte schon einen Teil der Alldog-Fragmente restauriert, als er einen Lanz-Glühkopfbulldog in mäßigem Zustand erwerben konnte. „Kannste mir helfen, den Glühkopf zu restaurieren ? Kriegste den Alldog dafür !“ Tja, da stand ich nun! Sicher hab‘ ich ihm geholfen, obwohl er fast alles selbst gemacht hat—nur bei den richtig schweren und dicken Sachen hab‘ ich mit Hand angelegt (Im originalen Werkstatthandbuch sieht das alles kinderleicht und lässig aus ! Da hebt auf einer Abbildung ein einzelner Mann das ca. 90 Kg schwere Schwungrad mal eben so auf die Kurbelwelle—Mensch, was müssen das früher für Kerle gewesen sein…..! ) Ein paar Wochen später : E.’s Glühkopf-Bulldog lief, und ich hatte 1 ½ Alldog an der Backe. Also gut : Hilft nix—–Augen zu und durch ! Zuerst mal Bestandsaufnahme und Sichtung der vorhandenen und auch nicht vorhandenen Teile. Ergebniss : Relativ ernüchternd ! Zunächst mal die Felgen umschweißen, da beide nur noch zu drei Vierteln vorhanden waren (Stichwort : Aggressive chemische Flüssigkeit) und die des „Ersatzteilträgers“ nicht passten . Flex, „Grießheimer Schlüssel“ und Vorschlaghammer leisteten gute Dienste. Entrosten stand an, gängig machen aller beweglichen Teile, ausbüchsen der 10-cm-Wurfsitze von Achse und Lenkung sowie komplette Grundierung und Farbauftrag. Rundum neue Pneu’s waren obligatorisch, ebenso überall neue Schrauben und Muttern. Bis dato hatte der Motor, ein Einzylinder-Zweitakt-Konstrukt auf der Basis eines TWN-Motorrad-Motors noch keinen richtigen Mucks getan, obwohl er sich einwandfrei durchdrehen ließ. E. hatte schon Einspritzdüse, Einspritzpumpe, Leitungen und den ganzen dazu gehörenden Quatsch gereinigt, überholt und abgedichtet. Glühkerze war neu, Kompression O.K., aber, das Biest machte nur ein paar Zündungen –pöff-pöff—-und blieb steh’n. Also nahmen wir uns jeder ein Stühlchen, eine Hopfenkaltschale, setzten uns davor und überlegten. Nach der dritten Fla…..,äh, Überlegung endlich die Erleuchtung : Irgend ein Vorbesitzer hatte das Gasgestänge verkehrt herum eingehängt, so daß die Einspritzpumpe beim „Gasgeben“ abgeregelt wurde. Konnte ja nicht klappen ! Nach Umbau und einjustieren lief der Motor wie ein Uhrwerk—-allerdings ein sehr lautes Uhrwerk. Ca. 40 cm neben den durch keinen Wassermantel gedämpften Explosionen im Zweitakt-Zylinderkopf sitzen zu müssen ist eigentlich nur einem durch mehr als zwanzig Havy-Metal-Konzerte abgehärteten Eventbesucher zu empfehlen. Nach diesem erfolgreichen Probelauf und entsprechenden Probefahrten wurde das noch relativ „nackte“ Fahrgestell mit neuer Ladepritsche, neuer Elektrik und Beleuchtung und weiteren Feinheiten versehen.  Ich möchte niemanden hier mit Einzelheiten nerven, am Ende fehlte eigentlich nur noch die Zulassung. Eigentlich ! Doch jetzt kommt’s ! Als ich mit der Fahrgestellnummer bei der zuständigen Zulassungsbehörde vorstellig wurde, bekam ich´, natürlich nach entsprechender Wartezeit, zu hören : „…jaaaaa, das Fahrzeug ist ja noch angemeldet, wo haben Sie denn den Brief ?“ „Äh, bitte !?“ „Ja, also wir haben hier den Eintrag, daß das Fahrzeug auf eine Frau Maria XX angemeldet ist.“ Ja, aber—das Fahrzeug ist doch verschrottet worden….Das war doch quasi Schrott!?“ „Tja, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen, da müssen Sie den Schrotthändler kontaktieren, damit der Ihnen einen Entsorgungsnachweis ausstellt.“ „Äh—ja, aber ich kenn‘ den Schrotthändler nicht….“ „Also, ohne Nachweis können wir Ihnen keinen neuen Brief ausstellen.“ Da stand ich nun, wie das Kind vor’m Dreck ! „Können Sie mir denn vielleicht sagen, wo das Fahrzeug noch zugelassen ist?“ (Die Hoffnung stirbt zuletzt!) „Also, eigentlich darf ich das nicht, aber, das Fahrzeug ist im Kreis A… zugelassen————– Der Nächste bitte !“ Kreis A…–aha. Am nächsten Morgen : „Chef, ich brauch‘ heut‘ Urlaub, muß was Wichtiges regeln…“ „Alt wirrer Urlaub? Dau gihhs mir domit langsam off de E….(er meinte wohl den Bereich unterhalb der Gürtellinie) !“ Also, ab in Richtung A… zur dortigen Kreisverwaltung. „Guten Morgen. Ich hätte folgendes Problem : Das Fahrzeug mit der Fahrgestell-Nr. Bla-Bla-Bla wäre noch in diesem Kreis zugelassen—können Sie mir da evtl. weiterhelfen !?“ Es ist immer unratsam, Verwaltungsmitarbeiter vor der Frühstückspause mit außergewöhnlichen Aufgaben zu konfrontieren—-doch diese Dame bildete wohl eine Ausnahme oder hatte schon gefrühstückt : „Einen Moment, ich schau‘ mal kurz……Ah ja, das Fahrzeug ist zugelassen auf eine Frau Maria XX, wohnhaft im Gut „Düsterau“ in XX…Geb. am X.X. 1898…“) „Ähhh—-Bitte !!!???“ „Ja, hab‘ ich hier so steh’n.“ „Aber, ich hab‘ das Fahrzeug als Schrott erworben, neu aufgebaut und möchte es jetzt neu zulassen.“ „Da müssen Sie sich vom Vorbesitzer, also von der Frau Maria XX einen Eigentumsnachweis besorgen—ohne den geht’s nicht….“ Klar, die Dame handelte lediglich nach den bestehenden Vorschriften, doch war ich nahe daran, ihr meine Meinung zum deutschen Bürokratiewesen kund zu tun…. Ich beherrschte mich und dachte : Na ja, der Urlaubstag ist eh im A….,also, versuchste, das Gut „Düsterau“ und deren Bewohner zu finden. Ländliche Gegend, Bauernhöfe überall—Hm. Beim nächstbesten einfach mal fragen : „Wat!? Kenn‘ ich net!“ Auf dem nächsten Hof schon von Weitem : „Mir geewe grunnsätzlich nix !“ Also, auf zum Nächsten…… und Nächsten…….und Nächsten….“Gut Düster…wat? —-Omma, kumm‘ mol runner….Hay is ahner, der socht ä Gut Düster—äh—wald, wahst dau doh wat !?“ „Omma“ mühte sich die steile Treppe herunter, immer gestützt auf ihren Krückstock. Sie zählte geschätzte 85 – 90 Jahre und schien etwas schwerhörig zu sein „Hä!?“ „Der Mann soocht e Gut Düsterau—orrer suu—wahst dau wat dovoo?“ „Dää Mann soocht e Kloo ?“ „Ennahh, der soocht e Gut Düsterau..!!!!!“ Seine Lautstärke ließ mich etwas zurücktreten, doch „Omma“ schien verstanden zu haben : „Düsterau !? Ei, dat is‘ daach fö goot 35 Johr aafgebrannd….do leeft daach kaaaner mie…“ Na, toll, klasse Aussichten ! „Äh, gute Frau, gibt es irgendwelche Nachkommen, oder Erben ?“ „Hä!?“ Der Enkel übersetzte, resp. über-„brüllte“ meine Frage………Antwort : „Naaa, do woor nur naach dä Hööner-Pitter üwwerich, ower, dä leeft daach im Haaim…wann dä neet schunn gestorwe is“ . Prima ! Fassen wir zusammen : Gut Düsterau existiert nicht mehr, Frau Maria XX müßte ca.103 Jahre alt sein, der letzte Nachkomme befindet sich in einer Klinik, falls er sich überhaupt noch befindet….ich war restlos bedient, bedankte mich für die Auskunft, wünschte noch einen schönen Tag…“Hä? Hädd dä gesooht, dat dä mich maag !?“, setzte mich ins Auto und überlegte ernsthaft, ob ich mich mit Waldpreiselbeeren vergiften oder mich hinter einen Zug werfen sollte. Während der Heimfahrt, es war mittlerweile schon fast dunkel, überlegte ich fieberhaft, wie das Ding zu händeln sei. Zu Hause angekommen, der Griff zum Telefonhörer: „‘N abend Chef…aaaalso, ich bräucht‘ für morgen noch mal Urlaub….“ Hätte ich den Hörer in den Keller gelegt und wäre auf den Dachboden gestiegen, hätte ich mir trotz allem noch die Ohren zuhalten müssen……. Nach geschätzten 5-6 Minuten versiegte sein Redeschwall langsam, ob auf Grund von Luftnot oder aber, weil ihm die ehrenhaften Bezeichnungen ausgingen, und ich konnte ihm erklären, daß praktisch existentielle, fast weltpolitische Geschehnisse von meinem zweiten Urlaubstag abhängen würden. Ich weiß bis heute nicht, ob er das begriffen hatte, oder auf Grund eines Hustenanfalls keine Entgegnung fand. Das wertete ich als Einverständniss und legte den Hörer auf. Uff —- soweit, so gut ! Am nächsten Morgen also noch mal zu unserer Kreisverwaltung in M… Ich hatte mir eine Strategie zurecht gelegt und war auf alles gefasst. Alle möglicherweise hilfreichen Papiere, Bescheinigungen, Artikel aus Fachzeitschriften und Foto’s hatte ich mit. Als letztes Mittel blieb mir noch das Festketten an einem Heizkörper mit dem Hinweis auf einen Pressebericht über die bundesdeutsche Bürokratie….. Es kam anders : An Schalter Nr. X saß heute eine andere junge Mitarbeiterin. Als ich ihr mit weinerlicher Stimme und zutiefst betrübter Miene (ich hatte diese morgens vor dem Spiegel sorgfältig eingeübt ! ) mein Begehren schilderte, nickte sie verständnissvoll und sagte : „Einen Moment bitte, ich rufe gerade mal den Dienststellenleiter, da können wir bestimmt etwas machen !“ Ich dachte : >Das träumst du doch nur<, und kniff mir in den Oberarm. Nach kurzer Zeit erschien sie mit einem freundlichen Herrn mittleren Alters, der mir die Hand bot und leutselig fragte : „ Na, Kollege, wo klemmt‘s denn ?“ Nach Schilderung meiner Probleme und Darstellung der Fakten (…Gut Düsterau abgebrannt, Hööner-Pitter im Heim, Maria XX wahrscheinlich schon mumifiziert, etc. ) sagte er doch tatsächlich : „ Ist doch kein Problem ! Wir bieten das Fahrzeug im Verkehrsblatt auf, und wenn sich nach drei Wochen niemand gemeldet hat, ist die Sache vom Tisch. Fräulein M., sie können den Brief ruhig ausstellen. Die technischen Daten können sie ja abrufen und den Versicherungsnachweis hat der Herr ja vorgelegt.“ War ich jetzt in einem falschen Film, durch außerirdische Strahlen benebelt oder einfach nur noch nicht wach geworden !? Fräulein M. tippte tatsächlich die Daten in ihre Tastatur, gab mir einen Zettel, mit dem ich schräg gegenüber Nummernschilder pressen lassen konnte und sagte, ich würde dann aufgerufen. Nach kurzer Zeit saß ich wieder im Wartesaal der Zulassungsstelle und hatte nagelneue Nummernschilder in der Hand. Pling-Pling ! Nummer XXX bitte ! Am Schalter erhielt ich dann die heißbegehrten Stempel, die unvermeidliche Rechnung ( die ich aber in diesem Fall gern bezahlte ) und die Fahrzeugpapiere. O.K.——-nix wie raus hier, bevor sich noch irgend jemand etwas Anderes einfallen lassen könnte ! Auf dem Parkplatz tief durchatmen, den Angstschweiß von der Stirn wischen und einen stolzen Blick auf die wertvollen Dokumente werfen : Ich denk‘, mich tritt ein Pferd, mein Hamster bohnert, oder bin ich eben Elvis begegnet ?! : Da stand in den Papieren allen Ernstes > Fahrzeughersteller : Mercedes-Benz, Fahrzeugtyp : Lanze….< Sollte ich…. ? Nein, nein und nochmals nein—das lässte jetzt nicht mehr berichtigen—das ist und bleibt jetzt so !!! Nur weg hier !!!

Der Lanz-Alldog ist mittlerweile verkauft, und sein neuer Besitzer hat viel Freude damit. Ich gönn’s ihm, und hoffe, daß „Gut Düsterau“ niemals wieder aufgebaut wird !

Ein aktives Mitglieder der Traktorfreunde Kannenbäckerland